Zur Beweiswürdigung bei dem Brand eines Heizgerätes

BGH, Urteil vom 05.11.1996 – VI ZR 343/95

Kommt es im Aufstellbereich eines Heizgerätes, das auf einem elastischen Fußbodenaufbau ohne erforderliche zusätzliche Maßnahmen gegen ein (für den Aufsteller erkennbares) Einsinken aufgestellt worden ist, zu einem Brand, ist der Beweis des ersten Anscheins zulässig dahin, daß der Brand durch die Unterlassung verursacht worden ist.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Oktober 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Der Beklagte zu 1) (künftig: der Beklagte), der im Januar 1991 eine Lehre als Heizungsmonteur mit dem Gesellenbrief abgeschlossen hatte, hat im Mai 1991 auf Veranlassung der Eigentümer in dem Durchgangszimmer des vom Kläger bewohnten Obergeschosses einen Nachtstromspeicherofen der Firma “Z.” aufgestellt. Das ca. 245 kg schwere Gerät stellte er mit den vom Hersteller auf der Unterseite angebrachten, 1,6 cm hohen Kufen auf den aus Holzdielen, Linoleumbelag und einem niedrigflorigen, ca. 1 cm dicken Teppichboden bestehenden Fußboden. Am 25. Oktober 1991 brach im Aufstellbereich des Heizgerätes ein Brand aus, der die gesamte Wohnung erfaßte. Brandursache war, daß der brennbare Boden unterhalb des Heizgerätes durch längeres Erwärmen in einen pyrophoren Zustand versetzt und schließlich entzündet worden war. Die Ehefrau des Klägers starb bei dem Brand, der Kläger selbst erlitt bei dem Versuch, seiner Ehefrau zu helfen, lebensgefährliche Kopfverletzungen.

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Der Kläger hat Ersatz des ihm durch Ausfall des Geldunterhalts und der Arbeit seiner Ehefrau im Haushalt entstehenden Schadens, Beerdigungskosten, ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte zum Ersatz sämtlicher, dem Kläger durch den Brand entstandener Schäden verpflichtet sei.

3
Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1) mit Teil-Grund-Urteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe
I.

4
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage im wesentlichen damit begründet, ein Anscheinsbeweis für eine fehlerhafte Montage des Heizgerätes sei vorliegend nicht gegeben. Es sei nicht auszuschließen, daß der erforderliche Bodenabstand durch ein nachträgliches “Absacken” des Heizgerätes verringert und hierdurch letztlich der Brand entstanden sei. Die Ursache für ein solches mögliches Absinken des Heizgerätes sei nicht geklärt. Nach den Montageanweisungen des Herstellers sei ein Bodenabstand von 1,6 cm nicht zu beanstanden. Die Montageanweisungen seien nicht erkennbar unzureichend gewesen. Dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, daß er die statischen Voraussetzungen für die Aufstellung des Geräts nicht beachtet und keine hinreichenden Vorkehrungen gegen ein Absinken des Geräts getroffen habe. Es lasse sich nicht feststellen, daß der Beklagte aufgrund der gegebenen Beschaffenheit des Fußbodens die vom Hersteller nur empfohlene Bodenplatte habe für erforderlich halten müssen. Dem Beklagten erkennbare Anhaltspunkte dafür, daß Sicherheitsvorkehrungen gegen ein Absinken des Geräts geboten gewesen seien, seien nicht gegeben. Im Bereich des Heizgerätes habe bereits zuvor ein Nachtstromspeicherheizgerät gestanden, das zumindest nicht leichter gewesen sei als das vom Beklagten aufgestellte. Daß eine Veränderung des Verhältnisses von Gerätegewicht zu Auflagefläche zu einem Einsinken des Gerätes und damit zur Brandentstehung geführt habe, sei nicht dargetan. Insgesamt sei nicht auszuschließen, daß die Fußbodenkonstruktion im Bereich des Heizgerätes nachträglich nachgegeben habe. Dafür aber könne der Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden.

II.

5
Die zulässige Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht dessen Schluß, der Beklagte habe den Brand nicht unter Verstoß gegen eine ihm obliegende Pflicht schuldhaft (mit-)verursacht. Zwar verneint das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen ohne Rechtsfehler einen Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Fehlverhalten des Beklagten; es hat aber verfahrensfehlerhaft vom Kläger unter Beweis gestellten Vortrag zum Verschulden des Beklagten übergangen, bei dessen Richtigkeit ein Beweis des ersten Anscheins für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Beklagten und dem eingetretenen Schaden sprechen würde.

6
1. Die Revision rügt vergeblich, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen einen Beweis des ersten Anscheins für einen Montagefehler des Beklagten verneint hat.

7
Zwar steht es im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, daß mit einem Anscheinsbeweis auch von einem eingetretenen Erfolg auf ein bestimmtes (fehlerhaftes) Verhalten als Ursache geschlossen werden kann (vgl. Urteile vom 3. Juli 1990 – VI ZR 239/89VersR 1991, 195 unter II. 2; vom 22. Mai 1979 – VI ZR 97/78VersR 1979, 822, 823 unter II. 1.; vom 27. September 1957 – VI ZR 139/56 – LM Nr. 31 zu § 286 (C) ZPO unter III.). Es geht jedoch nicht an, im vorliegenden Fall von der Tatsache der Brandentstehung auf eine (fehlerhafte) Montage des Heizgeräts mit zu geringem Bodenabstand zu schließen. Der Bodenabstand war vom Hersteller des Gerätes mit der Ausbildung der “Kufen”, auf denen das Gerät stand, vorgegeben. Feststellungen dazu, daß die Höhe dieser Kufen durch den Handwerker verändert werden konnte, daß dies erfolgt und dadurch der Bodenabstand verringert worden wäre, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision beanstandet das nicht.

8
2. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, daß das Berufungsgericht den Sachvortrag des Klägers zu einem möglichen Montagefehler nicht ausgeschöpft hat und unter Verstoß gegen § 286 ZPO der Behauptung des Klägers nicht nachgegangen ist, der Beklagte habe die Gefahr eines Einsinkens des Heizgerätes in den Boden erkennen können und Vorsorgemaßnahmen hiergegen ergreifen müssen. Der Kläger hatte bereits im ersten Rechtszug vorgetragen, der Beklagte habe erkennen können und müssen, daß bei dem aufgestellten Gerät eine erhöhte Gefahr des Absinkens bestand und diesen Vortrag unter Sachverständigenbeweis gestellt. Unabhängig davon, daß der Kläger, der im ersten Rechtszug obsiegt hatte, diesen Vortrag im Berufungsrechtszug nicht ausdrücklich wiederholen mußte, hat er diesen Beweisantritt in der Berufungserwiderung dahin aufgegriffen, daß die Montage des Heizgerätes mit einem Abstand von nur 1,6 cm zum Unterboden erkennbar fehlerhaft gewesen sei. Diesem Beweisantrag mußte das Berufungsgericht nachgehen, denn der Vortrag war erheblich. Mußte der Beklagte nämlich erkennen, daß die Montage des Heizgerätes mit 1,6 cm Bodenabstand angesichts einer Gefahr des Absinkens des Gerätes in den Boden ohne zuverlässige Vorsorgemaßnahmen das Risiko einer Brandentstehung schuf oder erhöhte, durfte er das Gerät nicht ohne geeignete Vorkehrungen aufstellen.

9
Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil des Berufungsgerichts beruhen. Denn wäre ein entsprechender Montagefehler des Beklagten nachgewiesen, dann würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, daß der Brand durch die sorgfaltswidrige Aufstellung des Heizgerätes verursacht worden war. Die Annahme, daß ein für den Anscheinsbeweis erforderlicher typischer Geschehensablauf vorliegt, erfordert (nur) die Feststellung eines allgemeinen Erfahrungssatzes als einer aus allgemeinen Umständen gezogenen tatsächlichen Schlußfolgerung (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 – VI ZR 98/82VersR 1984, 40, 41 unter II. 3 b, bb). Dabei bedeutet “Typizität” nicht, daß die Verkettung bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist. Sie muß aber so häufig vorkommen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1991 – IV ZR 82/90VersR 1991, 460, 461 unter II 2 b), bb)). Diese Voraussetzungen wären vorliegend – den Vortrag des Klägers zur Erkennbarkeit des Einsinkens des Heizgerätes und dessen Gefährlichkeit als richtig unterstellt – zu bejahen. Die Revision verweist mit Recht darauf, der Sachverständige habe es als “naturgemäß” bezeichnet, daß der vorliegend gegebene Fußbodenaufbau elastisch ist und ein Einsinken der Kufen des Heizgerätes gestattet. Es liegt zudem auf der Hand, daß durch ein solches Einsinken der Kufen des Heizgerätes der Bodenabstand des Heizgerätes unter 1,6 cm verringert wird. Der Sachverständige hat weiter bestätigt, daß sich das Heizgerät ohne die vom Hersteller – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus anderen Gründen – empfohlene Bodenplatte so in den Fußboden senken kann, daß eine Zirkulation der Warmluft ausgeschlossen wird und dann die Entstehung des Brandes naheliegen kann. Kommt es deshalb im Aufstellbereich eines Heizgerätes, das auf einem solchen Fußboden ohne erforderliche zusätzliche Maßnahmen aufgestellt worden ist, tatsächlich zu einem Brand, spricht der Beweis des ersten Anscheins – rückschließend von dem Erfolg auf die Ursache – dafür, daß der Brand durch die Unterlassung verursacht worden ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1990 und vom 22. Mai 1979, je aaO; vgl. noch BGH, Urteile vom 6. März 1991 aaO unter II 2 a); vom 12. Mai 1993 – IV ZR 120/92VersR 1993, 1351 unter I. 2)). Hierbei bliebe dem Beklagten die Erschütterung des Anscheinsbeweises, etwa durch die ernsthafte Möglichkeit eines für den Beklagten nicht erkennbaren Nachgebens der Fußbodenkonstruktion, offen.

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